Die Pastelle von Ida Kerkovius

Ida Kerkovius beschäftigt sich etwa ab 1920 mit Pastellkreiden; ihr erstes nachweisbares Pastell wird mit 1917 datiert. In ihren Briefen an die Freundin und bekannte Kunstförderin Hanna Bekker vom Rath erwähnt Kerkovius 1919/1920 die Technik des Pastells: „...ich kann mir schon Pastelle selber machen und schmiere auf einer großen Fläche herum...“. Aus diesen Zeilen lässt sich schließen, dass das Herstellen von Pastellkreiden und offenbar auch der malerische Umgang mit diesem Material für Kerkovius Anfang der 20er Jahre relativ neu ist. Die Malerin verwendet die Pastelltechnik von nun an für alle Stile und Motive, die in ihrem abwechslungsreichen Werk in einer thematischen Spannweite von reinen Farbform-Etüden bis hin zur Übersetzung von Natureindrücken möglich sind. Man kann sagen, dass diese Technik zu ihrer bevorzugten Ausdrucksweise wurde. Sowohl die große Anzahl der Werke (über 1200 Pastelle konnten bisher nachgewiesen werden) als auch ihre Qualität belegen diesen Sonderstatus, der sich parallel auch im Werk von Adolf Hölzel  zeigt.

Anhand der Pastelle sind alle in Kerkovius` Gesamtwerk vorkommenden Themen bis hin zu Glasfenster- und Teppichentwürfen anschaulich nachzuvollziehen.

 

1. Landschaftspastelle

Seit ihrem ersten Aufenthalt in Dachau bei Adolf  Hölzel (1903) wird das Malen in freier Natur zum wichtigen Bestandteil des künstlerischen Schaffens von Ida Kerkovius.

Pastelle, die während der zahlreichen Reisen von Ida Kerkovius entstehen, zeigen Meer-, Strand-, See- und Waldeindrücke, die eine Verbindung von realer Naturwahrnehmung und erdachten Erinnerungselementen eingehen. Auch die menschliche Figur kann in Kerkovius’ Landschaften eine wesentliche Rolle spielen.

Im herausragenden Spätwerk der Künstlerin entwickelt sie abstrahierte, auf gestalterische Grundelemente reduzierte Landschaften  voller poetischer Kraft.

 

2. Portraits

Kerkovius’ Vater gestattete eine künstlerische Ausbildung der Tochter, weil er wollte, dass sie Portraitmalerin werde. Deshalb gibt es schon sehr frühe Familienbildnisse der Künstlerin.

Obwohl auch einige Selbstbildnisse von Ida Kerkovius zu betrachten sind, ist die Künstlerin keine ausgesprochene Portraitmalerin und gibt anderen Bildthemen einen höheren Stellenwert. Zitat: „Mein Vater wollte, dass ich Portraitmalerin werde, um mich dort zu halten, aber mich trieb es zu höheren Zielen“.

 

3. Teppich- und Glasfensterentwürfe im Pastellwerk

Die Teppich und Glasfensterentwürfe von Ida Kerkovius markieren den frühesten Zugang zur reinen Abstraktion. In den 20er Jahren gewinnen vor allem am Bauhaus Entwürfe für Webarbeiten an Bedeutung. Daraus entstehen bis ins hohe Alter selbstgewebte Teppiche, Decken und Kissenbezüge.

Als Assistentin von Adolf Hölzel hilft  Ida Kerkovius ab 1932 bei der Gestaltung der Glasfenster der Pelikanwerke in Hannover, wofür jeweils Pastellentwürfe als Vorlage dienen.

Auch später erhält Ida Kerkovius Aufträge für Glasfensterentwürfe und führt diese meistens in der Technik des Pastells aus.

 

4. Abstrakte Kompositionen

Im Jahr 1930 entsteht das erste von Teppichentwürfen unabhängige abstrakte Gemälde von Ida Kerkovius. In zahlreichen Pastellen reflektiert die Künstlerin Hölzels Lehre von den bildnerischen Mitteln und versteht es, den Ausgleich von Farb- und Formkontrasten zu finden.

 

5. Phantastische Kompositionen

In den sehr spielerischen, phantastischen Kompositionen von Ida Kerkovius kann man eine Verwandlung von Farb- und Formeindrücken zu Phantasielandschaften nachvollziehen.

Das freie Bilden einer ideenbestimmten Traumwelt vereint mit dem Wissen um die künstlerischen Gesetze führt zur Verbindung von Traum, Idee, Phantasie mit den passenden Mitteln. In das primäre Spiel der abstrakten Formen werden bei Ida Kerkovius auf traumhafte Weise vieldeutige Beziehungen verwoben.

 

6. Figurenbilder

Die Figurenbilder von Ida Kerkovius lassen eine Vorliebe für Bewegung und zugleich für eine märchenhafte Welt erkennen. Die Künstlerin verarbeitet hier folgende Themen: Zirkus, Sport, Jahrmärkte, Mutter und Kind, der Hölzel-Kreis, Spaziergänger, Sportbilder.

In den Figurenbildern kann eine Reduzierung auf wesentliche Gestaltungselemente besonders gut beobachtet werden. Die häufig bevorzugte Flächenhaftigkeit anstelle einer perspektivischen Räumlichkeit belegt Kerkovius’ Abkehr von einer realistischen Darstellungsweise in dieser Themengruppe.

 

7. Religiöse Motive

Verkündigungs- und Anbetungsszenen in stark vereinfachter Formgebung verweisen auf das Werk von Adolf Hölzel, finden aber in Ida Kerkovius’ Pastellen einen ganz eigenen, oft sehr abstrahierten Ausdruck ihrer religiösen Vorstellungswelt.

Engelwesen, die nicht nur in religiösen Motiven ‘auftauchen’, dokumentieren das Element des Schwebenden im Pastellwerk von Ida Kerkovius.

 

8. Blumenstillleben

Vor allem in ihren letzten Lebensjahren konzentriert sich Ida Kerkovius auf Blumenbilder, die häufig als Stillleben arrangiert sind. Diese Tatsache lässt sich mit dem Spätwerk von Jawlensky vergleichen, der im Bett liegend zuletzt nur noch Blumen malte. Die beiden Künstler verband eine Freundschaft, so dass ein möglicher Einfluss von Jawlensky auf Kerkovius untersucht werden muss.

Die Verwendung von samtenem, farbig leuchtendem Pastellpapier ist vor allem für die späten Blumenbilder von Ida Kerkovius typisch.

 

(Text von Katharina Hadding, die das Werkverzeichnis der Pastelle vorbereitet)

 

 

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